Bärenfels nach dem Fest der Drachen (2016)

Duran setzte sich mit Peter an einen Tisch zu ein paar Wachen. Er kannte ihre Gesichter.
Er lauschte ihren Erzählungen und schloss ab und an die Augen für einige Zeit.
Durstig trank er und bestellte immer wieder eine Runde für alle.

Duran
Peter saß die ganze Zeit am Tisch und unterhielt sich mehr oder weniger angeregt mit den anderen Soldaten und Wachen, die anwesend waren. Sie alle kannten den jungen Mann offensichtlich zumindest flüchtig. Das war nicht weiter fragwürdig - niemand konnte all seine Kollegen bei der Wache kennen, dafür war die Motte inzwischen zu gut bevölkert und auch zu gut bewacht.
Das Gespräch am Tisch drehte sich vor allem um die üblichen Geschichten vom Schlachtfeld, den Frauen, die zu Hause warteten oder irgendwelchen Ereignissen, die die Männer eben für erzählenswert hielten.
"Ist alles in Ordnung, Euer Hochwohlgeboren?", fragte ein älterer Mann mit einem dicken Verband um sein rechtes Auge plötzlich.
Ihm war aufgefallen, dass der Baron viel trank und einen sehr abgeschlagenen Eindruck machte.

"Danke der Nachfrage guter Mann."
Duran sah ihn an. Er merkte den Alkohol und nicht mehr ganz nüchtern antwortete er:
"Wisst ihr eine gute und alte Freundin von mir ist tot aufgefunden worden. Das macht mir sehr zu schaffen."
Duran trank und sah danach in den Becher.

Lenz hatte seiner Schankmaid kurzzeitig das Kommando über den blauen Bären gegeben, um seinem ursprünglichen Beruf, nämlich Keltereigeselle in der Motte nachzukommen und das Winterbockbier im Bierkeller zu kontrollieren. Als er wieder aus der Kellerei kam und schon quer über den Hof den Gesang vernahm, war er doch überrascht, so viel Fröhlichkeit drang schon länger nicht mehr an sein Ohr. Er ging in das kleine Gässchen hinter der Taverne und trat durch die Tür in den Hinterraum ein, welcher seine Wohnstube darstellte. Sein Blick fiel durch den türlosen Rahmen in den Schankraum, wo der Schankwirt den Baron erblickte. Alt schien er geworden denn der Verantwortung, die auf seinen Schultern lag. Lenz wurde ein wenig traurig, als er sich an die alten Zeiten erinnerte, in denen Hauptmann Duran Grollock noch direkt einen kleinen Haufen Amsivaren geführt hatte, unter ihnen ein strafversetzter Keltereigeselle und wie ihn diese Aufgabe zur Gänze zu erfüllen schien. Lenz ging durch den türlosen Rahmen hinter die Theke, seine Schankmaid war gut dabei beschäftigt, immer weiter nachzufüllen. Sie informierte ihn über die Großzügigkeit des Barons und Lenz nahm einen der bereits gefüllten Krüge und brachte ihn direkt zum Baron.

Duran
Der alte Mann nickte.
"Aye... ich habs schon mitbekommen. Schlechte Nachrichten verbreiten sich bei den Männern schneller als ein Schanker im Freudenhaus. Asdis McCallaghan... verdammte Schande. Hab nie jemanden so mit Pferden umgehen sehen, nicht mal den runzligen Zornbold. Ach, es erwischt einfach immer die Falschen."

"Was ihr nicht sagt guter Mann!"
Duran erhob sich langsam und musste sich am Tisch festhalten.
"Darauf trinken wir und alle trinken mit!"
Dann sah der Baron Lenz.
"Lenz du alter Haudegen! Komm und setz dich! Wir trinken hier in dieser Taverne ein paar Krüge. Was machst du denn hier überhaupt?"

Lenz grinste den Baron an, stellt diesem den Krug hin und deutete der Schankmaid, ihm einen neuen Krug zu bringen. Dann wandt er sich wieder dem Baron zu: "Sire, ich habe euch lange nicht mehr in einer Taverne wie dieser hier gesehen, das gleiche könnte ich Euch fragen. Na ich arbeite doch hier für euch, nachdem Mojo damals Euch und diese Taverne verlassen hatte, erinnert Ihr euch nicht mehr?" Der Schankwirt runzelte leicht die Stirn. War der Baron wirklich so vergesslich, oder hatte er nur schon zu viel getrunken, ein leichtes Lallen lag zumindest schon in dessen Wort.

"Du arbeitest für mich hier?"
Duran sah sich um.
"Ehrlich? Hier?"
Duran griff nach seinem Becher.
"Na darauf trinken wir einen!"

"Natürlich hier, hier und unten in der Kellerei." Die Schankmaid reichte Lenz den bestellten Krug und er stieß mit dem Baron an. "Na Ihr seht, Ihr wart schon viel zu lange nicht mehr hier, dass Ihr das vergessen habt, fragt bloß Sir Owen den ollen Steuerein...." Der Schankwirt brach jäh ab, als Owens Name über seine Lippen kam, wollte er an diesem Abend doch nicht den Baron an den schmerzlichen Verlust von Asdis und Owens Alleingang erinnern. Um diesen kurzen Augenblick der Still zu übergehen hob er erneut seinen Krug zum Anstoßen.

Duran sah ihn an.
Dann hin auch er seinen Becher erneut und trank. Danach setzte er sich und wies Lenz an sich neben ihn zu setzten.
"Sag mir Lenz hast du auch etwas deftiges zu Essen hier? Ich bin mehr als hungrig und ich glaube ich könnte etwas gebrauchen was den Alkohl etwas aufsaugt."
Duran sah in die Runde.
"Seit ihr auch hungrig?"

Als Lenz von Sir Owen sprach und ihn als "ollen Steuereintreiber" bezeichnete blubberte es aus einigen der Krüge und ein paar der Männer am Tisch prusteten in ihr Bier. Sie hatten nicht rechtzeitig heruntergeschluckt bevor sie lachen mussten und hatten nun große Not sich nicht zu verschlucken.

Auf die Frage hin, ob sie auch hungrig wären, antworteten die meisten mit einem entschiedenen "Aye!" und sahen Lenz erwartungsvoll an.

"Aber selbstverständlich, Dia ist nicht nur eine wunderbare Schankmaid und eine hervorragende Köchin, über dem Feuer hängt ein großer Topf mit Erbsensuppe, wenn Euch das genehm ist? Ich werde sie auch gleich noch rüberschicken und Brot holen lassen." Dann fiel des Schankwirts Blick wieder auf den Jungen, der bei dem Baron saß, irgendwoher kam er ihm bekannt vor. Der Junge schien Lenz' Blick zu bemerken und schaute diesem gerade zurück ins Auge. Der Schankwirt blickte über den Kopf des jungen Soldaten hinweg und bemerkte die unheilvolle Narbe, die dessen Schädel zierte.

Der junge Mann stand auf ohne den Blick von Lenz zu nehmen.
"Entschuldigt mich.", sagte er.

Dann grinste er breit und ging in Richtung Nebengebäude zum Abort.

Wehe der pisst mir an die Tavernentür, dachte Lenz bei sich. Nachdem der Schankwirt die Schankmaid angewiesen hatte das Essen zu verteilen, nickte er dem Baron zu: "Sire, entschuldigt mich ebenfalls, ich muss einmal austreten." Mit diesen Worten stand er auf und ging ebenfalls hinaus in Richtung Abort.

Lenz verließ die Taverne und als er gerade um die Ecke in Richtung Abort abbog sah er den Jungen dort stehen. Scheinbar wartete er darauf, dass das stille Örtchen frei wurde.

"Erbsensuppe! Köstlich! Bringt mir schnell eine große Schüssel voll!"

"Na, etwas größeres vor?" Lenz stellte sich neben den Abort und urinierte von oben in den Graben. Zeitgleich tischte die Schankmaid im blauen Bären dem Baron eine große Schale mit Erbsensuppe, Mettwürstchen und Brot auf.

Der junge Mann schaute Lenz nicht an, als er antwortete.
"Och naja... schon, aber die großen Ziele lassen sich nicht auf dem Scheißhaus
erreichen. Und selbst?"

"Für manch einen ist das Scheisshaus schon das Tagesziel. Ach ich, ich erfreue mich an den Kleinigkeiten wie Ihr seht." Lenz hatte seine Tätigkeit beendet und schüttelte noch zweimal ab, bevor er alles wieder an Ort und Stelle verschob und sich umdrehte: "Sagt mal, kenne ich euch nicht irgendwoher?"

Langsam drehte der Mann sein Gesicht zu Lenz.
Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht.

"Kennt mich nicht jeder irgendwoher? Ich muss ein Allerweltsgesicht haben."

Lenz wurde stutzig bei der Antwort. Solche Worte hatte er schon zu genüge gehört, sie bedeuteten nie etwas gutes. "Wartet, ich erinnere mich, Ihr wart bei der Befreiung Balihos dabei, richtig?", riet der Schankwirt ins Blaue hinei, vom Alter her müsste der Jüngling schon in die Arme gepasst haben und es gab viele seines Alters, die den heroischen Aufrufen der Werbetrommler damals gefolgt sind.

Peter sah Lenz weiterhin an.
Der Schankwirt musste merken, dass der Junge nicht blinzelte.
Das Grinsen schien mehr zu einer Fratze zu werden.

"Natürlich war ich das. Und Du auch. Sag... bist Du Dein Diebesgut aus Baliho eigentlich losgeworden?"

Lenz musste aufstossen, irgendetwas schien hier nicht zu stimmen, es lag etwas unheilvolles in der Luft. "Diebesgut, welches Diebesgut?", zischte der Schankwirt, die Aborttür hatte sich noch nicht wieder geöffnet, er wuste also nicht, wer noch mithörte. Eine Gänsehaut überkam ihn, er hatte nur Tavernenkleidung an und dort war es deutlich wärmer als hier draußen. "Passt auf, mit wem Ihr wie redet und jetzt schleicht Euch.", brummte Lenz und ging wieder Richtung blauer Bär.

Der junge Mann schüttelte den Kopf.
"Na die Becher... die Krüge... die Teller... das Steinzeug. Die ganzen Sachen, die Ihr in Baliho aus den rauchenden Trümmern der geschändeten Stadt mitgenommen habt. Einige schöne Stücke."

Er schaute Lenz hinterher. Die Tür vom Abort ging auf und ein Betrunkener fiel heraus und an Lenz und dem Jungen vorbei. Der Kerl hatte wohl nichts realisiert von dem, was da geredet wurde.

"Streitet es ab, so viel Ihr wollt... Ihr wisst es, ich weiß es. Und am Ende haben wir uns nur vor uns selbst und den Göttern zu verantworten. Das Ding ist nur... meinem ist das egal. Wie ist es mit Eurem?"

Lenz wurde unsicher und verlangsamte seine Schritte. Was wusste dieser Bengel? Hatte er ihn beobachtet, als er die Sachen aus der Stadt geschmuggelt hatte? Der Schankwirt war sich ziemlich sicher, dass das nicht der Fall war, er hatte mittlerweile ein gewisses Talent dafür entwickelt, Dinge vor den Augen aller zu transportieren, ohne, dass diese davon viel mitbekammen. Hatte er dem Jungen vielleicht etwas verkauft? Dann würde dieser aber nicht so darauf reagieren, wie er gerade darauf reagierte. Oder wollte er Lenz damit erpressen; ein kurzer leicht verhöhnender Grinser überlief Lenz' Gesicht bei diesem Gedanken, so dumm konnte der Knirps nicht sein. Vielleicht kam der junge Mann auch wirklich selbst aus Baliho und ein Teil des kleinen Schatzes hatte ihm bzw. seiner Familie gehört? Das würde am meisten Sinn ergeben. Lenz drehte sich halb zu dem Burschen um, just als der Volltrunkene ihn passierte und in Richtung Taverne torkelte, und zischte: "Es gibt nur einen Gott und er lebt."