Bärenfels nach dem Fest der Drachen (2016)

Duran verdrehte die Augen.
"Dann holt Ulfur halt hier hin! Wache! Bring Ulfur hier hin. Jetzt gleich!"

"Eigentlich garnichts." Salome sprach langsam. "Ich bin in meiner Kammer aufgewacht.
Ich war wohl wieder am Schreibtisch eingeschlafen. In der Motte herrschte ein großer Trubel. Sir Owen war wieder zurück, zumindest glaube ich, dass es Sir Owen war. Alle haben sich riesig gefreut." Sie stockte. "Da war Blut auf seiner Kleidung und auf seinen Waffen."
Einen Moment suchte Salome nach Worten, ehe sie weitersprach: "Kennst du das, wenn man fällt und es ist, als würde sich alles um einen herum verlangsamen?"
Sie stockte erneut. "Alle haben sich so gefreut, dass er wieder da ist. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es gut war, dass er zurück gekommen ist. Je länger ich darüber nachdenke desto weniger glaube ich, dass er es wirklich war, der zurück gekommen ist." Salome schauderte entsetzt zusammen und klammerte sich an den Stuhllehnen fest. "Er hat mich gesehen! Da waren so viele Leute, aber alle sind erstarrt und er hat mich angesehen und... und..." Sie zitterte bei der Erinnerung an das klaffende Grinsen. Das Gefühl von unmenschlichen Augen beobachtet zu werden nahm wieder zu und sie warf unwillkürlich einen Blick über ihre Schulter.

Auch Landraik trat in die große Halle verneigte sich kurz vor Duran und reihte sich in der Nähe des Barons ein. Misstrauisch und bereit einzugreifen musterte er besonders die zwei Nomaden.

Die Wache sah den Baron an.
"Sire, der Wilde ist seit geraumer Zeit nicht mehr auf der Motte oder deren näherer Umgebung gesichtet worden. Niemand weiß, wo er ist."

Duran sah von der Wache zu seinem Knappen.
"Also dann. Fangt an zu erzählen."

Magda schenkte dem Baron den Gewürzwein ein, danach Sir Landraik, vor dem sie kurz knickste. Danach ging sie um den Tisch herum und füllte die Becher von Idena und ihren Begleitern. Mit dem Krug in der Hand ging sie hinter dem Stuhl von Baron Duran und wartete.

Finjas Gedanken überschlugen sich, Owen zurück, blutig, verzerrter Gesichtsausdruck, nicht er selbst. Sie sah Salome an sie spürte und sah das Unbehagen der jungen Frau. Erinnerte sich an ihre Angst vor Feuer und die Hitze die nach der Erinnerung an den Traum von ihr ausgegangen war. Herr Gott was war denn hier los?

Sie versuchte ruhig zu bleiben "Salome weißt du wo Owen jetzt ist?"

Irritiert sah Salome Finja an "Woher soll ich das wissen?
Ich meine, im Traum war Sir Owen hier, aber das war ja auch nur ein Traum. Ein seltsamer Traum, aber eben nur ein Traum..."
die Unsicherheit wurde in ihrer Stimme immer deutlicher und sie suchte in Finjas Gesicht nach einer Bestätigung.

Wo sollte sie nur beginnen? "Sire, nachdem ich mich von Ser Owen verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Rückweg nach Bärenfels, doch ich kam nicht weit. Ich traf Jonai und seine Brüder Maran und Laseb auf einer Lichtung, beziehungsweise sie warteten dort auf mich. Ich vermute, sie hattenb angesichts der Tatsache, dass ich nach Hause musste, verweigert und da haben sie mich, nun ja, eben einfach mitgenommen. Nachdem sie mich eine Weile als Gefangene behielten und mich immer wieder nach dem Verbleib meiner Mutter fragten, haben sie die Fesseln gelöst und ich durfte mich frei bewegen. Doch wir waren mittlerweile zu weit von Bärenfels entfernt und ich hätten den Rückweg niemals alleine gefunden. Also blieb ich und versuchte herauszufinden, warum sie so dringend meine Mutter suchten." Idena verschwieg, dass das nicht der einzige Grund war, warum sie blieb. Sie hatte viel gelernt. "Nun weiß ich es, und die Antwort auf diese Frage führte mich wieder hierher zurück. Sire, es geht um Chagrin."

"Nun weiter."
Duran sah verärgert auf seinen Knappen und deren Begleiter.

Idena seufzte. Nun ja, entweder er würde es verstehen oder sie musste wieder gehen. "Anscheinend haben meine Mutter und einige Schamanen es vor einiger Zeit geschafft, Chagrin unschädlich zu machen. Für eine Weile. Und jetzt... jetzt...! Hilfesuchend blickte sie zu Jonai und Martuf.

Martuf, der Jüngere von beiden schaute zu Idena und nickte.
"Marjana hat mit Hilfe des Zirkels damals den Großen Geisterbann auf Chagrin gewirkt und das Gefäß, in das er gebannt wurde, tief im Wald vergraben. Aber irgendjemand hat es gefunden und schlimmer noch, er oder sie hat es geöffnet und somit dem Bösen die Türe zurück in diese Welt geöffnet. Seit diesem Tag ist er auf der Jagd nach den Schamanen, die beim Ritual mitgewirkt haben. Einige konnten untertauchen, andere hatten nicht so viel Glück. Marjana ist schon seit langer Zeit verschwunden und da sie damals den Zirkel angeleitet hat, hatten wir gehofft, dass Idena uns zu ihr führen kann und wir ein neues Ritual einläuten können, um den bösen Geist wieder zu verbannen. Aber Idena konnte uns nicht helfen ihre Mutter zu finden. Während ihrer Zeit bei uns hat sie sich alle Mühe gegeben und dabei unsere Sitten, Bräuche und unser Volk... ihr Volk kennengelernt. Sie versteht jetzt, wie dringend uns diese Angelegenheit auf dem Herzen brennt. Eigentlich sind wir hier um Euch zu warnen und Euch zu fragen, ob Ihr Schamanen oder Priester kennt, die uns bei dieser Angelegenheit behilflich sein könnten. Vom Wolf haben wir schon gehört. Ihn brauchen wir unbedingt, damit er uns unterstützen kann."

Er schwieg kurz und schaute zu Jonai. Dieser reagierte nicht.
"Und... wir möchten Euch im Gegenzug für Eure Hilfe unsere Ergebenheit anbieten. Das Erste Volk ist seit geraumer Zeit in den Augen vieler Bauern und Bewohner ländlicher Gebiete nicht mehr als eine Bande von Streunern geworden, die sie nicht kennen, nicht verstehen und mit denen sie nichts zu tun haben wollen. Unser einst so stolzes Volk verliert zusehends den Anschluss an diese, an Eure Welt. Helft uns diesen wieder zu gewinnen und wir werden da sein, wenn Ihr Hilfe braucht. Bei was auch immer."

Duran sah zu seinem Ritter mit hochgezogenen Augenbrauen.
Dann sah er wieder zu den Fremden.
"Also ihr möchtet ein Ritual abhalten um dieses Ding unschädlich zu machen und dazu braucht ihr den Streuner?
Wie wollt ihr mir eure Dienste anbieten?"

Martuf nickte.
"Grob zusammengefasst läuft es darauf hinaus, ja. Unsere Unterstützung... unterschätzt unser Volk nicht, Baron. Wir haben tapfere Krieger, die Euch in Zeiten der Not zur Hilfe eilen und teure Waren, mit denen wir handeln können. Pferde, Geschmeide und Waren von überall aus Amsivar. Das wären zwei Beispiele dafür, wie wir Euch unsere Dienste anbieten können."

"Und wie wollt ihr uns unterstützen wenn ihr wie Strauchdiebe durchs ganze Lamd wandert?
Wie sollen wir euch finden?"

Der Junge sah zu Idena.
"Einmal habt Ihr Euren Knappen. Idena weiß, wie man uns findet. Und im Grunde genommen geht es uns ja auch ein Stück weit darum, dass wir einen Anker in Eurer Zivilisation haben wollen. Das Wandern und die Freiheit werden wir wohl nie ganz ablegen können oder wollen, aber wir wollen endlich lernen mit Euch und dem wofür Ihr steht auszukommen und uns sinnvoll zu ergänzen. Wir würden Euch einen unserer schnellsten Reiter zur vollständigen Verfügung stellen, den wir regelmäßig darüber in Kenntnis setzen, wenn wir uns bewegen und wohin. Solltet Ihr uns brauchen, so schickt ihn, er wird uns finden."

"Wieviel Mann habt ihr unter Waffen?"
Fragte Duran und sah auf den Kelch in seiner Hand.

Martuf überlegte kurz.
"In meinem Stamm kann so gut wie jeder kämpfen. Ob Mann oder Frau spielt dabei keine Rolle. Unser Stamm zählt 53 Personen. Abzüglich der Kinder und der Alten sind wir mal 35 und mal 36 Personen... der alte Irwain ist wetterfühlig. Insgesamt gibt es acht Stämme. Einige größer als der Unsere, einige weniger groß. Wenn alle Zahlen zusammengenommen werden sind wir etwa 300 bewaffnete Männer und Frauen."

Aufmerksam beobachtete Magdalena den Baron. War sein Becher leer? Sie wartete auf das heben des Bechers, das Zeichen daß nachgeschenkt werden sollte. Dabei lauschte sie den Worten des antwortenden Mannes.

Duran sah zur Magd und hielt ihr den Becher entgegen.
"Und ich soll dann wenn ich Truppen brauche jedes Mal warten müssen bis ihr da seit?
Da müsst ihr mir schon mehr anbieten.
Aber was feststeht ist dass diese Kreatur wieder unschädlich gemacht werden muss."

Magdalena sah den Blick des Barons. Sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, es war angespannt und er wirkte immer noch verärgert. Sie trat vor und schenkte ihm nach. Dann verweilte sie kurz und beobachtete Sir Landraik und die Gäste. Danach trat sie wieder zurück, blieb aber aufmerksam.

Martuf lächelte.
"Ihr unterschätzt zwei Dinge. Erstens die Geschwindigkeit unserer Pferde - unsere Truppen würden wesentlich weniger lange brauchen, um zu Euch zu gelangen als Ihr vielleicht denkt. Und zweitens den Vorteil, den eine unerwartete und aus dem Hinterhalt angreifende berittene Einheit von 300 Mann. Und ja. Wir müssen Chagrin um jeden Preis bekämpfen und besiegen. Letztes Mal haben wir ihn "nur" gebannt... dieses Mal müssen wir ihn vernichten."

Idena wandte sich an Duran. "Und diese Abgekegenheit ist dringend. Wir glauben nämlich, dass Chagrin es nicht nur auf die Schamanen und Nomaden abgesehen hat. Es gibt einige Anhaltspunkte, dass er sich auch hier auf Bärenfels schon eingeschlichen hat."

Finja war ratlos sie brachte einfach keinen Sinn in Salomes Träume und Gedanken. So sehr sie es auch versuchte. Es wirbelte alles durcheinander.

Als Finja nicht antwortete verstärkte sich Salomes Unsicherheit und drängte ihre Gedanken in eine Richtung, die sie bisher gescheut hatten. Sie wusste, dass Träume manchmal verdrängte Erinnerungen und Zusammenhänge offenbarten und daher eine gewisse Bedeutung haben konnten, aber Finja hatte sie nach etwas gefragt, dass sie nicht wissen konnte. Es sei den der Traum war eben nicht nur ein Traum gewesen. Die Gedanken der Schreiberin rasten. Wie konnte ein Traum mehr als ein Traum sein?
Magie?
Sie schreckte vor dem Gedanken zurück. Magie und Wunder waren Dinge, die anderen Leuten passierten. Dinge, von denen in Geschichten berichtet wurde. Aber nichts was sich in so alltäglichen Geschehnissen wie Träumen zeigten! Oder doch? Durch Finjas Schweigen verunsichert hinterfragte Salome ihre Schlüsse sofort wieder. Waren die anderen und sie nicht durch den Ruf, ein Wunder der Sendbotin, in die Drachenlande gelangt? Dort hatte es mehr als genug Magie gegeben!
Konnte also doch mehr hinter den Träumen stecken? Und wenn ja, was? Noch einmal ging sie alles systematisch durch. Nein, die Träume, die ihr in letzter Zeit den Schlaf geraubt hatten, wirkten nicht so... fremd... wie es bei einer magischen Einwirkung sicher der Fall wäre.
Und der Traum von Sir Owen? Wieder fröstelte Salome. Da war etwas gewesen...
Um sich von den Fragen des wie und warums abzulenken versuchte Salome die Angelegenheit wie ein ganz logisches Problem anzugehen. „Denk darüber nach als... als wäre es eine Bibliothek, die ein dir unbekanntes Sortier-System nutzt. Alleine findest du nie das richtige Buch, aber vielleicht findet sich irgendwo ein Bibliothekar... und dann ist da noch die Frage nach welchem Buch ich suche...“
Sie blickte zu Finja auf. „Könnte ich wissen wo Sir Owen jetzt ist? Oder... könnte ich es herausfinden?“